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Joseph Beuys

Joseph Beuys ist unbestritten der wohl weltweit bedeutendste Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts. Die einen lieben ihn, folgen ihm bis heute wie die Jünger ihrem Messias – die anderen hassen ihn, schon alleine wegen des von ihm proklamierten erweiterten Kunstbegriffs: Jeder ist Künstler, allein schon dann, wenn er sich dazu berufen fühlt, und alles ist Kunst, wenn man etwas (was auch immer es sein mag) nur dazu erklärt. Dieses neue, revolutionäre Verständnis von Kunst, also was Kunst ist oder zu sein hat, führte gerade während seiner Zeit als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie zum Streit, nicht nur mit der NRW-Landesregierung. Denn Beuys wollte somit natürlich auch alle traditionellen Aufnahmekriterien der Akademie außer Kraft setzen, also z.B. die sogenannte Mappenpflicht abschaffen, mit denen sich kommende Studenten empfehlen, ihr noch schlummerndes, verborgendes Talent andeuten sollten. Doch Beuys wollte allen sich zur Kunst berufenen freien Zugang gewähren, sodass er teilweise bis zu 200 Studierende betreute, obwohl nur jeweils 30 pro Meisterschülerklasse vorgesehen waren.

1972 eskalierte der Streit im Umgang mit seinen nicht konformen Aufnahmekriterien und Klassengröße in seiner Entlassung durch den damaligen Ministerpräsidenten von NRW, durch Johannes Rau persönlich. Der Rest dieser Geschichte, der sich anschließende, langjährige Rechtsstreit und sein vermeintlich einvernehmliches Ende, die Heimholung des großen Messias zur Akademie, ist schon Legende, ja Kunstgeschichte, von denen bis heute all die Jünger des großen Joseph Beuys, feuchten Blickes, allzu verherrlichend schwärmen.

Doch bei allem Pathos um seine Person, der bis heute noch allzu hell zu glänzen scheint, muss man auch einräumen, dass Beuys, meiner Meinung nach, auch großen Schaden angerichtet hat. Anekdoten wie: Ist das Kunst oder kann das weg?, hat man ihm zu verdanken, der Kunst als grenzenlos, entbunden von jedem handwerklichen Können verstand und auch so zu lehren gedachte. Dies allerdings führte zu einer schier unendlichen, allzu gefährlichen Beliebigkeit in der bildenden Kunst, die so, in der Musik und auch Literatur, undenkbar gewesen wäre. Selbst mein ehemaliger Professor für Ästhetik und Gestaltungstheorie, langjähriger Dekan der GHS Wuppertal, Bazon Brock, Künstler und Kunstkritiker in einer Person (was schon ein Widerspruch in sich selbst zu sein scheint – aber alles ist scheinbar möglich), kam nach der letzten Biennale in Venedig zu der Erkenntnis, dass das Schaffen in der bildenden Kunst zunehmend nur für die jeweiligen Kuratoren erdacht und gemacht wird. Man muss sich also nicht darüber wundern, dass Begriffe wie Kunst oder Künstler langsam zur ganz großen Lachnummer verkümmern und zunehmend an allgemeiner, gesellschaftlicher Akzeptanz einbüßen. Ein Goya würde sich angesichts der heutigen contemporary Art im Grabe umdrehen!

Federzeichnung, Farbstift, Aquarell
Dvz. 1386
Format: 330 x 195 mm
02.10.2020