Die Kunstgeschichte weiß von vielen tragischen Momenten und Biografien von zu spät erkannten Größen zu erzählen. Jene von Camille Claudel, der französischen Bildhauerin, ist sicherlich jene, die an Tragik kaum noch zu überbieten ist. Und dabei ist eigentlich bis heute nicht wirklich klar, wie es überhaupt zu dieser unfassbaren Katastrophe kommen konnte.
Denn die überaus gestalterisch begabte junge Camille durfte sich vor allem der Unterstützung ihres Vaters sicher sein, der alles versuchte, seine Tochter in ihrem Talent noch weiter zu fördern. Ein Umstand, der Ende des 19 Jhdt. wohl eher die Ausnahme war. Denn Töchter hatten zu dieser Zeit gefälligst ein gute Partie zu machen, also möglichst vorteilhaft zu heiraten um ihrer „natürlichen“ Bestimmung nachzukommen.
Bei Camille nicht so. Und da Frauen damals eben auch an Akademien nicht zugelassen waren, finanzierte der Vater seiner Camille ein Studium an einer privaten Institution, an der sie, Dank ihres überragenden Talentes, recht schnell für Aufsehen sorgte.
Als allzu verhängnisvoll wird im Folgenden die Begegnung Camilles mit dem Bildhauer August Rodin gewertet, welcher gleich ihr ungeheures Potential erkannte und schon selbst, zu Lebzeiten in Frankreich als Legende gefeiert wurde.
Das klassische Rollenverhalten in einem Verhältnis dieser Art – also von einem berühmten älterem Herren, zu einer schönen, jungen und talentierten Frau – hebelt Camille per schriftlichen Vertrag mit Rodin gleich aus. So verpflichtet er sich ihr gegenüber, ihre Arbeit nicht nur zu protegieren, in gemeinsamen Ausstellungen in vorderster Reihe neben ihm selbst zu zeigen und stets auch für positive Besprechungen ihrer Arbeiten in der Presse zu sorgen, sondern auch auf jeglichen weitergehenden Kontakt zu anderen Frauen zu verzichten. Rodin unterschreibt, willigt ein. Im Gegenzug darf er sie viermal im Monat besuchen. Was dieses unglaubliche Selbstbewusstsein Camilles nährte, als unbekannte Künstlerin und Frau (mit allen Einschränkungen ihrer Zeit) solche Forderungen zu stellen, bleibt ein Rätsel, ebenso wie die Frage, warum sich ein Rodin überhaupt darauf einließ.
In Folge dessen feierte Camille Claudel recht schnell, vielleicht viel zu schnell, erste Erfolge, genoss Anerkennung, verdiente ihr erstes Geld, verleitete sie aber wohl auch zu einer Art Größenwahn noch über Rodin selber stehen zu wollen. Und somit vielleicht waren es ihre allzu hohen Erwartungen an sich selbst, die immer wieder zu Streitigkeiten mit Rodin führten, sie immer häufiger den Vorwurf formulierte, durch diese Beziehung in ihrer Anerkennung boykottiert zu werden. Davon allerdings kann nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil. Rodin selber sicherte Camille Claudel sogar auch einen Pavillon zur Weltausstellung 1900 in Paris. Sie aber lehnte ab, da ihre Ausstellungsfläche angeblich kleiner war, als die von Rodin. Auch darin sah sie erneut, ein Komplott gegen sich, angeführt von ihrem einstigen Mentor. Denn schon da, war die Beziehung zwischen den beiden längst vorbei. Rodin aber glaubte anscheinend immer noch an sie.
Mit dem Bruch zu Rodin, begann dann die eigentliche Katastrophe. Nicht fähig, neben der eigentlichen bildhauerischen Arbeit sich selber angemessen zu managen, ihren Haushalt halbwegs in Ordnung zu halten, verwahrloste Camille Claudel in kürzester Zeit zu einer alten Frau, zerstörte in Unmutsanfällen immer wieder ihre Arbeiten und war dann auch ganz schnell wieder vergessen, von der mondänen Pariser Kunstwelt. So ist das halt, mit dem Erfolg.
Als dann auch noch ihr größter Mentor, ihr Vater 1913 verstarb, schien sich die gesamte Familie an ihr, der ewiglich bevorzugten Tochter die nach den Sternen greifen wollte, endlich rächen zu wollen. Schon im gleichen Jahr wurde Camille, auf Drängen der Familie ihrem schrulligen Einsiedlerleben entrissen, in dem man sie zwangsweise in eine psychiatrische Klinik einwies. Bereits 1920 wäre eine Entlassung Camilles möglich gewesen, doch die Familie lehnte diese, wie auch alle folgenden Angebote dieser Art immer wieder ab …
Somit verbrachte Camille Claudel ihre letzten dreißig Lebensjahre hinter Gittern, ohne je wieder etwas geschaffen zu haben.
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