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Die Strandung der Aphrodite

Laut Wikipedia ist ein Aphrodisiakum ein Wirkstoff zur Belebung oder Steigerung der Libido. Er soll sich angeblich spezifisch reizend und anregend auf das sexuelle Verlangen auswirken, dass sexuelle Lustempfinden steigern sowie sich auch u.U. positiv auf die Geschlechtsorgane auswirken können. Wie sich dies im Detail bewahrheitet oder auch nicht, kann ja jeder mal für sich selber ausprobieren. Namensgeber für diesen Wirkstoff oder auch den damit verwandtem Begriff, welcher jenen Glauben umschreibt, dass gewisse Düfte, oder was auch immer, von aphrodisierender Wirkung zu sein scheinen, ist eine junge Frau mit Namen Aphrodite – und dies natürlich nicht ohne Grund. Denn jene wird die Götterwelt des Olymps ganz ordentlich in Wallung bringen.

Die Etymologie der Aphrodite, im römischen Venus, ist fast so ungewöhnlich und spannend wie jene der Athene, die einst dem Kopf ihres Vaters, dem des Zeus, entstieg. Doch kurz ein paar Jahrhunderttausende zurück geblendet, zum Anbeginn der Zeit und der Welt: Um die Urmutter Gaia vom Himmel, dem Uranos zu befreien, welcher vom Wind Eros mit soviel Verlangen beseelt wurde, dass dieser sich Äonenzeitalter lang, Tag für Tag, sich mit ihr paaren wollte, somit dutzende von Kindern zeugte, welche so noch nicht einmal den Bauch der Mutter verlassen konnten, weil er nie von ihr ablassen wollte, stellte sich einer der Ungeborenen, der jüngste der Titanen, der kommende Gott Kronos, endlich dem Himmel, dem eigenen Vater, entgegen.

Gaia selbst formte aus den in ihr schlummernden Erzen eine messerscharfe Sichel und übergab diese heimlich ihrem ungeborenen Sohn Kronos. Als Uranos erneut in Gaia eindringen wollte, entmannte er diesen mit der Sichel seiner Mutter und warf dessen erigiertes Glied ins Meer. Blut und Sperma traten aus, vereinigten sich mit den Wellen und dessen Gischt aus deren ungewöhnlicher Verbindung nun Aphrodite geboren wurde, aus den Wogen des Meeres ans Licht der Welt gelangte. Die wohl bis heute bekannteste Darstellung dieser außergewöhnlichen Geburt der Aphrodite, oder Venus, stammt von Alessandro Botticelli und ist, ebenso wie das Haupt der Medusa, von Caravaggio, in den florentinischen Uffizien mehr als gut aufgehoben.

Die Geburt der Venus von Alessandro Botticelli, 1484-1486.

Nachdem Aphrodite dem Meer, den Wellen und der Gischt entstiegen war, strandete sie am Ende an der Küste des heutigen Zypern. Nach Homer wird sie dort von den Horen gefunden, versorgt und dann den Unsterblichen erstmals vorgestellt. Und Aphrodite ist defacto eine Göttin, wenn auch nicht geplant, Tochter von Gaia und Uranos, den großen Urgöttern an sich, was sie generell schon interessant macht. Doch ihre schon fast übernatürliche Schönheit übertrifft alles bisher gesehene, entfacht hemmungslose Leidenschaft unter den Gottheiten, aber eben auch Neid und Eifersucht unter den Göttinnen. Denn jeder dort oben, in dieser antiken Casting Show, ist prinzipiell ein Abbild eines imaginären Ideals, strotzend vor Kraft und konkurrenzloser Schönheit – doch nur sie, ist noch schöner als alle anderen, der allzu Schönen. Um dennoch einen Platz dort oben zu finden biedert sich Aphrodite an, heiratet den vermeintlich unattraktivsten unter den Göttern, den hinkenden Hephaistos, den Schmied des Olymps und Sohn des Zeus. Dieser zeigt sich auch gleich begeistert, freut sich für seinen Sohn und sieht nun ein Ende in all dem begehrlichen Verlangen nach dieser Schönheit und auch keinen Grund mehr für die Eifersucht der Göttinnen. Welch Trugschluss.

Aus der Ehe zwischen Hephaistos und Aphrodite gehen gut zehn Kinder hervor. Doch keines ist vom armen Schmied selber gezeugt. Sie stammen allesamt von Ares, dem Gott des Krieges, dem Abbild brutaler, rein maskuliner Männlichkeit, mit dem Aphrodite schon in der ersten Nacht auf dem Olymp ein Verhältnis einging. Aber wie es so ist, ein jedes Verhältnis fliegt irgendwann mal auf, wenn die sich heimlich Liebenden dann doch mal unvorsichtig werden. Helios, der Sonnengott, steigt jeden Morgen auf um die Welt zu erhellen. Eine im Grunde eintönige, stumpfsinnige und auf ewig tagtäglich immer wiederkehrende Aufgabe die nur dadurch erträglich zu sein scheint, dass Helios, dann immer wenn er die Welt am Tage erhellt, wirklich alles sehen kann, was auf Erden passiert. Nichts bleibt ihm verborgen. Und so auch nicht das heimliche Verhältnis zwischen Ares und Aphrodite. Die sich heimlich Liebenden werden ertappt, machen sich zum Gespött des Olymps und Aphrodite mutiert zunehmend zu einer tragischen Gestalt. Schönheit ist eben nicht alles. Die Göttin der Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierde verliebt sich, nachdem sie von Hephaistos verlassen und von Ares verstoßen wurde, unsterblich in ein kleines Kind, mit Namen Adonis. Aber auch diese Episode der Aphrodite geht nicht gut aus, ist am Ende mal wieder eine weitere Geschichte in ihrer Tragik …

Und all dem nicht genug: Aphrodite, welche immer noch darauf besteht, Schönste der Schönsten zu sein, ist im Grunde auch Auslöser für die Schlacht um Troja, welche als das größte Menetekel der Antike in die Geschichte eingehen wird, Könige zu Fall, den größten Helden der Antike ein Ende bereitete und abertausenden das Leben kostete, rein ihrer persönlichen Eitelkeit wegen. Wie immer eine weitere Geschichte, die noch zu erzählen wäre.

Die Strandung der Aphrodite
Kugelschreiber, Farbstift, Aquarell
Dvz. 1468
Format: 160 x 25 mm
30.03.2021