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Mit dem Zeichenstift die Welt ergründen

Der Künstler Andreas Noßmann sucht in Alltagsszenen eine tiefere Wahrheit. Nun wird der Zeichner 60

Ausgelatschte Turnschuhe, eine aufgeschnittene Zitrone, Porträts prominenter Zeitgenossen oder historischer Größen, Landschaftsidyllen, Kriegsszenen und groteske Fantasien: Die Bilderwelt des Zeichners Andreas Noßmann ist so vielfältig, schier grenzenlos, dass sie den Betrachter ein ums andere Mal überrascht. Dabei ist Noßmanns Handschrift unverwechselbar, eindringlich, hintergründig. Am 22. Juni wird der in Brühl bei Köln lebende Künstler 60 Jahre alt. Seit mehr als 35 Jahren legt Andreas Noßmann mit Zeichenfeder und Farbstift, Fleiß, Disziplin und Professionalität Zeugnis seinen künstlerischen Könnens ab.
Sechs Stunden am Tag widmet sicher der Künstler seinen Bildern, weitere sechs Stunden verbringt er dann am Computer, um seine Werke zu verkaufen, Ausstellungen zu organisieren, Workshops für Interessierte zu planen und anderes mehr. Etwa 7500 Arbeiten hat der gebürtige Hildener, der lange Jahre auch in Ennepetal zu Hause war, im Laufe der Jahrzehnte geschaffen. Kaum mehr als 500 besitzt er davon noch. Ab 200 Euro kann man heute einen „echten Noßmann“ erwerben; bis knapp in den fünfstelligen Bereich gehen seine großen Arbeiten in der Spitze steil hinauf.
Die jeweils brandneuen Produktionen hängt sich der Zeichner immer erst einmal für ein paar Wochen oder auch Monate ins eigene Atelier: „Ja, ich zeichne in erster Linie für mich selbst“, sagt er. Es mache ihm einfach Spaß, seine Bilder eine gute Weile um sich und Freude an ihnen zu haben.

„Das halbe Leben verschlafen …“
Wobei längst nicht alle Noßmann-Motive Ausdruck von Freude sind: Er sei doch eher ein ernster Mensch, räumt der Zeichner ein: „Ich versuche eben, Flachheit zu vermeiden.“ Was wiederum nicht bedeutet, das ihm der Sinn für Humor, für satirische Blickwinkel oder augenzwinkernde Beobachtungen im Alltag fehlen würde. So wechselt Andreas Noßmann gern von Tag zu Tag: Mal widmet er sich einem eher philosophischen Motiv, dann wieder einem vergleichsweise leichten Thema. Dieser stete Wechsel tut ihm gut, lässt ihn die eigene künstlerische Freiheit in besonders angenehmer Weise spüren.
In gut 50 Büchern, Katalogen und Portfolios sind die Noßmann-Werke festgehalten; Seit zwei Jahren publiziert er zudem regelmäßig ein „Atelier-Magazin“, in dem er seine neuesten Arbeiten mit kleinen Texten vorstellt. Die Kunstszene kennt und schätzt Noßmann deutschlandweit. 150 Einzelausstellungen und 90 Gruppenausstellungen hat er studierte Grafiker mit seinen Zeichnungen bereichert. Anlässlich seines 60. Geburtstages organisiert die Kunstschule Neukirchen-Vluyn am Niederrhein vom 20. August bis 10. September eine große Noßmann-Schau. Überregional ist Noßmann auf Kunstmessen in Frankfurt, München und Köln vertreten. Aber auch in New York, Madrid, London oder Basel. Damit gibt sich Noßmann nicht zufrieden: „Ich habe schon so viel gemacht, dennoch habe ich stets das Gefühl, das halbe Leben verschlafen zu haben. Es gäbe noch so unendlich viel zu tun, so vieles, was man noch probieren möchte, noch so viele Ideen. Vermutlich bräuchte ich dafür ein zweites Leben.“

Schicksale und Emotionen
Die Noßmann-Fans und die Sammler seiner Bilder schätzen den Zeichner vor allem wegen seiner unbedingten Qualität. Die ästhetische Aussagekraft seiner Arbeiten ist unbestechlich und trägt alle Motive mit einem klaren, nicht verhandelbaren Anspruch. Es sind keine gefälligen Deko-Stücke, es ist keine bloße Wohlfühlkunst, die sich hier präsentiert. Noßmanns Bilder erzählen Geschichten. Sie verweisen auf harte Lebensspuren, bewegende Schicksale und berührende Emotionen. Seine Federstriche treffen den Nerv der jeweiligen Szene und ihres Betrachters. Man spürt, wie der Künstler sich mit dem Thema auseinandersetzt, mit der Aussage förmlich ringt. Es missfällt ihm jedoch, wenn man ihm mit der Vokabel „Talent“ schmeicheln will. Das sei doch kaum mehr als eine erste Voraussetzung für Kunst, meint Noßmann und verweist auf den komplexen Entstehungsprozess, der so intensiv im Kopf beginnt, bevor die Hand schließlich die Feder führt.
Ob Andreas Noßmann den angesichts seines bevorstehenden 60. Geburtstages noch besondere Wünsche oder Träume in seinem kreativen Schaffen habe? In seiner Antwort wirkt der Künstler entspannt und zufrieden. Es könne eine gute Weile einfach noch so weitergehen, lautet die Antwort. Aber dann fällt ihm doch noch ein ganz persönliches Sehnsuchtsprojekt ein: „Eine Bilderserie über Dantes Göttliche Komödie, dies habe ich eigentlich schon immer machen wollen. Aber ich glaube, für dieses große Thema, da wird mir am Ende doch die Zeit fehlen.“

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