Hier nun eine erste kleinere Arbeit zum Thema Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque. Thema: Fronturlaub, oder etwas netter klingend – Heimaturlaub.
Ein Urlaub vom Krieg, das klingt schon an sich paradox und auch wenn es gut gemeint zu sein scheint, so offenbart gerade diese Zuwendung jenen Soldaten, die den ersten Wochen und Monaten des Sterbens glücklicher Weise entkommen sind, den totalen Abgrund zwischen zwei Welten die nicht gegensätzlicher sein könnten. Als Paul Bäumer (Im Westen nichts Neues) seinen Fronturlaub erhält, hat er die Hölle schon gesehen, schon erlebt – Schulkollegen fielen ohne auch nur einen Schuss abgegeben zu haben, andere verstarben an ihren Verletzungen, verstümmelt in überfüllten Lazaretten.
Bäumers erster Besuch im Fronturlaub gilt seinem einstigem Lehrer und Förderer, jenem überschwänglichem Patrioten, welcher die gesamte Schulklasse einst gebetsmühlenartig beschwor sich gleich in Gesamtheit freiwillig zum nationalen Heldentod zu melden. Paul vermag vor der Klasse seines ehemaligen Lehrers nichts über Helden zu berichten, über große Schlachten, die es nicht gab, und auch nie geben würde. Die anwesenden Schüler beschimpfen Paul somit sogar als Feigling, als unpatriotisch, der Lehrer ist pikiert und auch angesichts der von Paul ihm aufgezählten Namen, von schon gefallenen einstigen Mitschülern, dennoch nicht sonderlich mitfühlend oder gar einsichtig.
Sein zweiter Besuch – die Mutter, schon auf dem Totenbett liegend. Sie erahnt die Grausamkeiten die ihr Sohn und seine Schulkollegen erleiden müssen. Doch ihre größte Sorge ist allerdings nur, das ihr Junge nicht genug zu Essen bekommt. Hier lügt Paul, versichert seiner Mutter, das alles nur ein großes Abenteuer ist – mehr auch nicht. Bei seinem letzen Besuch von der Front, in der einstigen Stammkneipe, gemeinsam mit dem immer noch verblendeten und an die göttliche Gerechtigkeit dieses Krieges glaubenden Vaters, trifft er auf weitere Freizeit Generäle die ausgerechnet ihm erklären wollen, wie dieser Krieg nun doch noch schnell zu gewinnen wäre, wenn sich nur alle, wie er auch, besonders in Zeug legen würden.
Dieser letzte Urlaub macht Paul deutlich – seine Familie, sein Leben überhaupt, ist nicht mehr hier, in seiner angeblichen Heimat. Er freut sich sogar darauf zurück zu fahren in Richtung Hölle, zurück an die Front, zurück zu den Kameraden, jenen Menschen also, die seine Wirklichkeit teilen.
Paul Bäumers ernüchternde Erkenntnisse aus einem Fronturlaub sind natürlich kein Einzelfall, sondern eher die Normalität, wenn eben das Absurde, das Schrecken, der Tod und das willkürliche Sterben zu einer solchen wird.
Auch in Joseph Vilsmaiers bewegender filmischen Umsetzung, der Schlacht um Stalingrad von 1993, resümiert ein namenloser deutscher Soldat resignierend sein letztes Weihnachten zu Hause, dank eines Fronturlaubes: Er hätte seine eigenen Kinder nicht mehr erkannt, die Frau wollte weihnachtliche Stimmung, er habe sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken um dann den ersten Zug zu nehmen, zurück in Richtung Tod.